Berwangen
„Ich bin geboren den 3ten April 1771; mein Vater hieß Augustin Engelhardt, wo ich bei der Taufe denselben Namen erhielt. Ich lernte bei meinem Vater das Metzgerhandwerk.“
Ein Dorf im Kraichgau, in der Landschaft zwischen Neckar und Rhein. Am 3. April 1771 kommt hier Johann August Engelhardt zur Welt. Es hat seit Monaten geregnet, die Ernte im Vorjahr war schlecht, Getreide und Früchte sind teuer in den Städten.
Der Vater ist Metzger und Wirt, Sohn eines Schulmeisters und Lehrers aus einem Nachbardorf. Er hat als 62-Jähriger noch einmal geheiratet, die erste Ehe war kinderlos geblieben, die neue Frau, Christina, ist ebenfalls ein Lehrerskind und bei der Heirat erst 24 Jahre alt. Aber der Wirt des Ochsen in Berwangen ist ein angesehener Witwer, ein wohlhabender Mann und eine willkommene Partie für eine pragmatische und zupackende junge Frau. Und der Hausstand braucht eine neue Leiterin, das große Anwesen, das Gesinde.
Bald nach der Heirat kommt das erste Kind, ein Sohn, und fünf Jahre später ein weiterer Sohn, eben dieser Johann August, der in der Geschäftigkeit des Haushalts des Ochsenwirts groß wird.
Drei kleinere Geschwister sind einige Wochen nach der Geburt gestorben, nur die jüngste Schwester, Catharina Elisabetha, überlebt, sie ist 10 Jahre jünger als August.
August ist ein Sorgenkind.
„In meinem 7ten Jahre hatte ich das Unglück, mit einem Hafen voll siedendem Wasser zu fallen, selbiges mir Gesicht und Brust verbrannte, so daß ich 1/4 Jahr das Tageslicht nicht sehen konnte. Im 9ten Jahr brach ich einen Arm, und im 13ten fiel ich vom Pferde, welches hinten ausgeschlagen hatte und mir 2 Rippen zerschlug.“
„August! Sei vorsichtig!“ Die Magd schlug nach dem Jungen, der im Schweinestall auf dem Trog balancierte. Sie hatte gerade die Schweine in den Hof getrieben und den Dreck und Mist vom festgestampften Boden in den Hof hinausgekehrt.
Der große Sandsteintrog mit seinem breiten Rand war gut zum Balancieren, er war nicht sehr hoch, so dass man sich noch abfangen konnte, wenn man herunterfiel. August war das Fallen gewohnt.
„Pass doch auf!“, schimpfte die Magd. „Die Säue fressen dich, wenn du in den Trog fällst!“
„Blödsinn! Ich falle nicht!“ Er konnte sich gerade noch auf den Beinen halten und sprang vom Trogrand auf den Boden.
„Hilf mir lieber! Nimm den Kuttereimer und leer ihn auf den Mist!“
„Aber das ist deine Arbeit, Käthe. Du hast mir gar nichts zu befehlen, du bist nur die Schweinemagd.“
Noch vor einem Jahr hätte er sich das nicht getraut. Käthe hat ihm früher Geschichten erzählt, hat ihn mit auf die Weide genommen, im Sommer, zum Melken der Ziegen und Kühe, August war ihr Liebling unter den Kindern des Wirts.
Aber jetzt war er kein Kind mehr; außerdem war Käthe nicht ganz hässlich, die Straßenbuben malten sich oft aus, wie sie ohne Kleider aussah, wie groß ihr Busen ist, wie es wäre, wenn sie schon Männer wären und eine Magd wie Käthe zum Sex überreden könnten. Die Väter brauchten die Mägde nicht zu überreden; sie zerrten sie einfach ins Heu, wenn ihnen danach war, auch wenn der Pfarrer das in der Predigt als große Sünde anklagte. Die Mütter sahen es auch nicht gern, aber es war halt normal. August suchte schnell das Weite.