Leseprobe 5

Der Überfall

„In solchem Zustande lebte ich hier bis den 15. Februar 1809, da traf mich ein jammervoller Zustand. Des Nachts ½ 10 Uhr überfiel mich eine Bande Räuber von 32 Mann, banden mir, meiner Frau und Magd Hände und Füße und warfen uns zu Boden. Ich lag zuvor schon krank 4 Monate, abgezehrt auf Haut und Beine.
Ich rief um Hilfe, daß man mich im 5ten Hause hörte. Indem ich rief, hielt mich einer am rechten, der andere am linken Arm, der drückte mir die Augen zu und kam mir mit einem Finger in den Mund, den ich zusammenbiß. Der am linken Arm ließ mich fahren und lief hin, da an der Wand mein Metzgergeschirr hing, zieht ein Messer heraus und fuhr hin, mir die Kehle abzuschneiden. Als ich den Zug erblickte, fiel ich in eine Ohnmacht, ich wußte nichts mehr von mir.“

„Lass den Scheiß, tot nützt er uns nichts! Wir müssen sein Geld finden, den Schatz, den er aus Peru mitgebracht hat! Das Gold und den Schmuck!“
„Lass mich, ich schneid ihm die Kehle durch, dem Schwein! Er hat mir den Finger abgebissen!“
„Ach was, das wächst wieder zusammen. Die Schatzkiste! Wo ist sie?“

„Sie öffneten alles; da sie alles nicht fanden, was sie verlangten, da fingen sie die Marterung an. Sie rollten das Hemd in der Ohnmacht bis unter die Arme und warfen ein Kissen auf meinen Kopf, und einer setzte sich darauf. Ich erwachte aus meiner Ohnmacht und fand, daß ich entblößt war und einer auf mir saß und den Kopf festhielt, während die anderen aufräumten.
Auf einmal läuft einer hin an den Tisch, da eine große brennende Kerze aufgeklebt war, und nahm die Kerze; ein anderer zieht einen Stuhl hin, tritt einen Fuß ab. Ich hatte mein Gesicht auf der Seite, ich konnte mich nicht bewegen, weil die Füße übers Kreuz gebunden und die Arme auf den Rücken auch übers Kreuz gebunden waren.
Nun fing die Marter und Todesangst an. Der mit dem Licht fängt von den Fersen an zu brennen bis oben das Kreuz, der mit dem Stuhlfuß schlägt hinten nach, daß ich meinte kein ganzes Glied mehr zu erhalten.
Ich wollte mich wenden, da nimmt der, der auf mir saß, meinen Kopf mit beiden Händen an den Haaren und stößt ihn zu Boden, daß ich meinte, mein Leben unter seinen Händen zu enden. Während sie brannten und schlugen war immer die Sage „Hund ihr müßt alle sterben, wenn Ihr das Faß mit Geld nicht herausgebt!““

„Bitte lasst mich leben! Ihr tut mir weh! Ich gebe euch alles, was im Haus ist, aber es gibt keinen Schatz und kein Geld hier, das ich euch geben kann!“
„Das glauben wir dir nicht, du Hund! Du hast immer Geld da, ist doch dein Geschäft!“
„Nein nein, ich hab alles verliehen, fragt die Leute im Dorf, ich helfe doch nur, damit das Dorf überlebt in der armen Zeit! Bindet mich los, nein, nicht mit der Kerze, ihr bekommt alles, zu Hilfe! Feurio! Räuber!“
„Hör auf zu schreien, oder wir tun dir noch viel mehr weh!“

„Ich bat um Schonung, sie sollen alles nehmen was da ist, nur uns am Leben lassen. Die Marter repetierten sie so oft, bis ich nichts mehr von mir wußte; alles Flehen und Bitten half nichts, während dem die versteinerten Nachbarn zuschauten. Alles war still.
Ich hatte 12 Tage vorher von Bethman in Frankfurt ein Fäßchen mit 7.800 fl. erhalten, wovon ich bereits 7.000 fl. ausgeliehen hatte. Da sie das Fäßchen mit Geld nicht erhielten, zerschlugen sie meinen Schreibpult und Komod; alle Koffer und Kisten wurden geöffnet, und das Beste nahmen sie mit.
Der Raub wurde auf 3.000 Gulden nach der Inventur gerechnet; ich besaß viele Kostbarkeiten, die den Räubern zu Theil wurden.“

„Hilfe! Hört mich keiner? Ihr feigen Ärsche! Helft mir doch! Helft mir doch mit den Fesseln, warum kommt keiner?“

„Endlich wagte ein Mann aus dem 5ten Hause in eine Gasse zu gehen, wo mehrere starke Männer waren, und sagte wir wollen dem Manne zu Hilfe kommen, er ist krank und kann nicht Botten gehen. Als die Räuber, die vor dem Hause stunden, den Mann hörten um Hilfe rufen, löschten sie die Fackeln aus, und um 1/2 12 zogen die Räuber mit einem fröhlichen Hurrah ab.
Als sie weg waren, wagte der Mann in mein Haus zu treten und sagte, das habt ihr den Kirchhartern zu verdanken, die haben Euch die Fransoner geschickt.“

„Hilfe, guter Mann, helf er mir doch! Und meiner Frau! Wo ist meine Frau! Was soll das heißen, die Franzosen, das waren Räuber! Deutsche Räuber! Und die haben doch nichts mit Kirchardt zu tun! Ich habe Kunden in Kirchardt, ehrenwerte Leute, sie haben Geld bei mir geliehen! Und helft endlich meiner Frau, was haben sie mit ihr gemacht?“

„Alles war finster in der Stube, ich jammerte in meinen Banden und Schmerzen. Meine Gattin warfen sie in die Bettstatt und schlugen ihr die Arme blau, sie hatte das Bett auf ihr liegen und einer saß auf ihr. Als der Mann die Wahrheit erfuhr, da rief er aus: „Was Jude ziert ihr, die Räuber haben ihn ausgeplündert.“
Keines konnte den anderen zu Hilfe eilen; durch das auf und abreiben wurden sie der Bande los, sie schrie um ein Licht der Magd, diese gab zur Antwort, sie sei gebunden und könne nicht kommen. Endlich verlangte meine Gattin ein Licht, der Mann und sie lösten die Bande; ich bat mich ins Bett zu bringen.
Als man bei Licht meine Füße und meinen Körper betrachtete, da ging manches steinerne Herz in Tränen über. Niemand glaubte mehr an eine Genesung, der weil ich schon vorher halb tot war. Als es im Orte laut wurde, da strömte alles herbei, wer noch einen christlichen Blutstropfen hatte, hatte Mitleid.“

„Ach Gott ach Gott, die armen Leute!“
„Eine ganze Bande! Böse Leute, aus Kirchardt!“
„Gehaust wie die Kroaten haben sie, meine Großmutter hat immer erzählt, wie die Kroaten hier waren, hier in Berwangen! Gehaust haben die, noch nicht mal die alten Frauen waren sicher vor ihnen!“
„Aber dem Engelhardt geschieht’s auch recht! Reich wie der ist!“
„Wisst ihr, ob die arme Frau noch lebt? Hat doch ein Kind im Bauch, kann jederzeit kommen, die alte Bodenheimerin schaut nach ihr, schon lang, s’kann jeden Tag kommen des Kind!“
„Echtenacher hat sie befreit! Dabei ist der doch auch schon alt! Hat sich erst getraut, als die Bande weg war!“
„Pistolen hatten die! Große Pistolen, habʼ ich genau gesehn!“
„Hat Glück, dass er noch lebt, der Engelhardt!“

„Der eine Nachbar sagte, er habe uns Hände und Füße binden sehen, der andere, der am Haus anlag, sagte seinen Schrank und Koffer haben wir sehen öffnen. Mehrere Bürger verlangten, daß eine Streifung sollt angestellt werden, vielleicht könne man noch einen Dieb erhaschen. Der damalige Schultheiß gestattete es nicht und sagte, er wolle es nach Waibstadt an das Amt berichten, ob solches erlaubt werde, dabei auch an das Amt in Kochendorf, ebenso zu jedem Amt hat man 4 Stunden.
Zu der Zeit lebte ein Verwalter hier, der sagte, man muß auch an das Amt schreiben, wenn ein Mann in den Brunnen fällt, ob man ihn retten darf; der Verwalter sagte Haussuch muß angestellt werden, ob jemand fehlt, die etwa verdächtig sei und wo eine sei, sogleich eine Wache vor das Haus und alle Personen ins Verhör nehmen und auf die Wachstube setzen; und wo der, wo fehlt, angegeben ist, ein reitender Bote, ob sich so befände. Es wurde aber nichts angenommen.“

„Da kommt der Bayer, der Vogt, Gottseidank, der weiß was zu tun ist!“
„Ich hoffe, dass keine Verfolgung gemacht wird! Das ist doch gefährlich! Und mein Alter kann heute Nacht mal wieder kaum laufen in seinem Rausch, der kann heute nicht ausrücken, nicht dass ihn die Räuber…“
„Dein Alter würde die Räuber nur kriegen, wenn sie genauso besoffen wären wie er!“
„Schultheiß Geiger! Wo seid ihr?“
„Herr Vogt, hier, zu Diensten!“
„Was habt ihr unternommen in dem Fall? Ist eine Streifung befohlen?“
„Mit Verlaub, Herr Vogt! Ich habe zu wenig Leute, wir müssen zuerst das Dorf sichern, nicht dass die Bande zurückkommt!“
„Wieviel Gens dʼArmes habt ihr?“
„Wieviel was?“
„Männer mit Waffen!“
„Drei.“
„Drei?“
„Es sind alles Veteranen aus dem 99er Feldzug.“

„Um 7 Uhr kamen Leute, der eine sagte: er habe Leute nach Richen gehen sehen mit einem Pack. So als Tag war und im ganzen Ort bekannt, da hörte man, daß von den Räubern auf allen Wegen gesehen wurden. Da aber keine Anstalt gemacht wurde, so entstand ein Lärm im Ort wegen der schlechten Unterstützung.“